Manipulation – Gesetze der Menschenbeeinflussung
Ein Schmökern in alten Büchern und Heften holt oft Überraschendes ans Tageslicht. So fiel mir das fast fünfzig Jahre alte das Buch „Manipulieren – aber richtig“ des Journalisten Josef Kirschner aus dem Jahre 1974 in die Hände. Seine provokante These: „Wenn ein Mensch den Mund aufmacht, um mit einem anderen zu reden, hat er nur eines im Sinn: Er will ihn manipulieren“ belegt er mit acht Gesetzen der Manipulation und beschreibt anschaulich die Spielregeln.
Sein erstes Manipulationsgesetz lautet: „Wenn Sie wollen, dass die Leute über Sie reden, müssen Sie anecken.“ In diesem Spiel gibt es sechs Gegner: das andere Geschlecht, die Familie, alle die dem Weiterkommen im Wege stehen, die Autoritäten, die Medien und die Gesellschaft.
Im zweiten Schritt beschreibt er sechs wirksame Methoden, um andere auf sich aufmerksam zu machen. Neben den gezielten Schmeicheleien und Provokationen sollte man das Gegenteil tun, was von einem erwartet wird. Ein rechtzeitiges Studium des Gegners, insbesondere seiner Liebhabereien verschafft dem Manipulator überlegendes Wissen. Notfalls muss man einen Umweg über nahe Bekanntschaften zwischenschalten.
Man kann einem Menschen fast alles verkaufen, solange man es ihm in der richtigen Verpackung anbietet. Sie ist wichtiger als der Inhalt, allerdings nur, wenn sie die Befriedigung eines Bedürfnisses oder die Lösung eines Problems verspricht. Die alte Weisheit gilt: der Köder muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken.
Eine Behauptung gewinnt immer mehr an Glaubwürdigkeit, je konsequenter und glaubhafter sie wiederholt wird. Wenn andere Menschen sich dieser Meinung anschließen, entsteht bei vielen das Bedürfnis, sich der Mehrheit anzupassen, unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Eine sehr verbreitete Methode ist die Erinnerung an einen Fehler, einer Schwäche oder einer Unwissenheit des Kontrahenten. Kirschner schreibt dazu: “Es spricht von Großmut, einem Gegner einen Fehler zu verzeihen. Aber es gibt viele Leute, die es meisterhaft verstehen, damit einen Vorteil für sich herauszuholen.“
Menschen werden in ihrem Handeln mehr von gefühlsmäßigen Einstellungen als von vernunftmäßigen Überlegungen bestimmt. Wertvorstellungen wie Ordnung, Ehrlichkeit, Männlichkeit, Treue, Ehre, Mut, aber auch Gefühlsregungen wie etwa Zorn, Freude und Neid werden für Manipulationen ständig eingesetzt. Daher ist es für den Manipulator wichtig, dass er seine eigenen Gefühle kontrollieren kann. Eine gespielte Bescheidenheit wird bei einem eitlen Gegner erfolgreich sein. Andernfalls muss man die Flucht nach vorn ergreifen und dem überlegenen Gegenüber als angeblicher „Experte“ ein stärkeres Selbstbewusstsein vortäuschen.
Das sechste Manipulationsgesetz ist in diesen Krisenjahren hochaktuell. Ich zitiere daher wörtlich: „Jede Entscheidung, die wir fällen, und jede unserer Handlungen ist in irgendeiner Form von der Angst mitbestimmt… Folgende drei Angstvorstellungen beeinflussen unser Verhalten in hohem Maße und sind deshalb Ansatzpunkte für jedes manipulative Spiel:
1. Die Angst, Erworbenes wieder zu verlieren.
2. Die Angst vor dem Ungewissen.
3. Die Angst vor der Realität.
Da über die Angst die menschlichen Entscheidungen beeinflusst werden können, bemühen sich jene, die das wissen, bei ihrem Gegner im manipulativen Spiel Angst zu erregen, sie zu erhalten und gegebenenfalls zu vertiefen, um sie für ihre Vorteile nutzen zu können.
Eine wirksame Methode, sich der Manipulation durch Angst weitgehend zu entziehen, ist die Rationalisierung der Angst.“
Letztendlich hängen der Entscheidungsvorgang und sein Ergebnis von vier Komponenten ab (7. Gesetz):
1. Die allgemeine Einstellung des Entscheidenden.
2. Sein Wissen über den Gegenstand der Entscheidung.
3. Die Personen, die ihn mittelbar oder unmittelbar beeinflussen.
4. Seine persönliche Verfassung zum Zeitpunkt der Entscheidung.
Ziel des Manipulators ist es, die kritische Urteilsfähigkeit des Entscheidenden maximal einzuschränken und sein Denken auf die Vorteile der angebotenen Lösung zu fixieren. Dazu muss er im richtigen Augenblick das Richtige sagen und im passenden Augenblick zuhören können. Sprache ist das wichtigste Instrument des Manipulierens (8. Gesetz).
Es bleibt dem Leser überlassen, aktuelle Ähnlichkeiten in der Werbung, im Wahlkampf und im politischen Handeln zu entdecken.
„Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können.“
(Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology 1928)