Die Schlipsträger der Krankenkassen
Derzeit springen sie wieder in vielfältiger Form ins Auge: Die permanenten
Forderungen der Krankenkassen nach einer „Qualitätsoffensive“ oder nach vermehrten
Zertifizierungen im Krankenhaus. Begründet werden diese Forderungen immer mit der
Darstellung von Einzelfällen und fragwürdigen Statistiken.
So bedauernswert derartige Schicksale mit schlechter Behandlungsqualität auch sind –
und es besteht ganz klar Konsens, dass jeder Einzelfall einer Zuviel ist – angesichts
gigantischer Zahlen von stationären Behandlungsfällen (2013: 17,8 Millionen) werden hier
von den Kassen und einer teilweise auflagengeilen Sensations-Presse Promille-Bereiche
Hingegen stehen diesen gebetsmühlenartigen Forderungen nach mehr Qualität leider
völlig konträre Verhaltensmuster der Kassen gegenüber, die die Qualität in der
Versorgung der Versicherten auf breiter Front nicht verbessern, sondern nachhaltig
Nahezu täglich wird in den verschiedensten Medien über Verweigerungen von Leistungen
durch die Krankenkassen berichtet. So auch in einem Artikel der „Welt“ vom 23.Februar
2015 mit der Überschrift „Wenn die Kasse entscheidet, wann Sie gesund sind“.
Hier geht es um die Verweigerung von Krankengeld, in anderen Fällen werden dringend
notwendige Heil- oder Hilfsmittel nicht bewilligt. Nur die Beschäftigten im Gesundheitswesen
müssen offenbar nach Ansicht der „kranken“ Kassen Qualität erbringen, sich
selbst nehmen die Kassen von diesem Anspruch aus.
Diese undifferenzierten Forderungen nach „mehr Qualität“ führen inzwischen zu durchaus
nachvollziehbaren Reaktionen z.B. auf der Klinikseite, wie einem Artikel in der „Thüringer
Allgemeinen“, ebenfalls vom 23.Februar 2015 zu entnehmen ist: „Staatliche
Planungspolitik führt zu einer Verschlechterung der Qualität“. Und weiter: „Dann schlagen
sie die Zeitung auf und ein Schlipsträger deklamiert seinen stereotypen Text von
schlimmen Zuständen in den Krankenhäusern. Das demotiviert. Politik und ein Teil der
Medien haben das aus Unkenntnis und aus Populismus aufgegriffen“.
Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Vielleicht noch dieses: Mit permanenten, überwiegend
sehr fragwürdigen Vorwürfen – die gelegentlich Schlammschlachten ähneln – gegen die
sogenannten „Leistungserbringer“ im ambulanten und stationären Bereich vergiften nach
Auffassung der Bürger Initiative Gesundheit e.V. sowohl GKV-Spitzenverband als auch
die AOK das Klima im Gesundheitssektor.
Es wird von diesen Akteuren billigend in Kauf genommen, dass das so wichtige
Vertrauensverhältnis zwischen Behandlern und Patienten nachhaltig gestört wird.
Ein weiteres Argument der Kassen: Es sollen angebliche „teure Überkapazitäten“ im
ambulanten Sektor (durch Praxisaufkäufe) und im stationären Bereich
(Wegrationalisierung von Klinikbetten) abgebaut werden.
Nun wissen wir, das Gegenteil von „Teuer“ ist „Billig“.
Weder Politik noch Krankenkassen konnten aber bislang erklären, wie sich eine
Qualitätsoffensive mit billiger Medizin in Einklang bringen lässt.
Und schließlich belegen auch neuere Auswertungen der OECD-Statistiken, dass
Deutschland keineswegs „OP-Weltmeister“ ist, wie Kassen und Politik gern gemeinsam
skandieren (siehe Bericht Süddeutsche Zeitung vom 06.02.2015). Altersbereinigt ergeben
sich völlig neue Aspekte und der gerade in der jüngsten Vergangenheit häufig erhobene
Vorwurf von „unnützen Operationen“ wird auf einmal relativiert.
Fazit der Bürger Initiative Gesundheit e.V.:
Durch das permanente Public-Mobbing wird nicht nur ein beträchtlicher Image-Schaden
bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen verursacht, sondern auch deren Motivation
nachhaltig beeinträchtigt und letztlich auch der Nachwuchs verprellt. Der landauf, landab
immer größer werdende Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen ist sicher zum Teil
auch Folge der negativen Wertschätzung der qualifizierten Mitarbeiter durch GKV-Kassen
und Politik.
Hierzu fällt mir ein Spruch ein, der 2006 bei dem ersten großen Tarif-Streik der Klinikärzte
in der Bundesrepublik auf zahlreichen Transparenten zu lesen war: „Dann operiert Euch
doch selbst“. Wenn eine verantwortungsvolle Politik gemeinsam mit den Beitragszahlern
hier nicht bald gegensteuert, ist zu befürchten, dass dieser Spruch in wenigen Jahren an
vielen verschlossenen Türen von Arztpraxen und Kliniken hängen wird:
Operiert Euch doch selbst!
Dr. med. Helmut Müller
Vorstandsmitglied
Bürger Initiative Gesundheit e.V.
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