Aktualisierte S-3-Leitlinie „Chronischer Tinnitus“: Was Betroffenen wirklich hilft – und was eher nicht

» Artikel veröffentlicht am 29.10.21, von

Wolfgang Menke von Hippokratech meldet: Bei Tinnitus rauscht, piepst oder klingelt es ständig im Ohr, ausgelöst beispielsweise durch einen Hörsturz oder Knallgeräusche. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich, zumal dann, wenn die körpereigenen Ohrgeräusche chronisch werden. Rund 10 Millionen Menschen erkranken jährlich, bei rund 1,5 Millionen ist dieses Leiden chronisch. Diese Patientengruppe steht im Focus der überarbeiteten S-3-Leitlinie, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V., Bonn (DGHNO-KHC) auf den neuesten Stand gebracht wurde. Die aktualisierte Leitlinie verbessert die Orientierung sowohl für Ärzte als auch Patienten.

In der aktuellen Leitlinie wird chronischer Tinnitus so definiert: Die Ohrgeräusche bestehen seit mindestens drei Monaten und belasten die Betroffenen. Nach heutigem Wissenstand sollte besonders in Bezug auf die Wahl der Therapie nur zwischen akut oder chronisch unterschieden werden.

Was die HNO-Fachspezialisten an Technik empfehlen

Die Therapieempfehlungen bei chronischem Tinnitus zielen darauf ab, die Belastungen langfristig zu reduzieren. Dabei stehen Techniken im Fokus, welche die Betroffenen in die Lage versetzen, mit dem Ohrgeräusch umzugehen, um so eine langfristige Desensibilisierung oder gar Reduktion der Belastung dauerhaft zu erreichen. „Der wichtigste Ausgangspunkt und Basis jeder Therapie sollte dabei die Diagnostik-gestützte Beratung und Aufklärung, das sogenannte Tinnitus-Counselling, sein“, so Professor Dr. med. Gerhard Hesse, Klinikleiter der Tinnitus Klinik, Bad Arolsen und einer der federführenden Autoren der neuen Leitlinie. Zusätzlich werden in der Leitlinie weitere evidenzbasierte Empfehlungen genannt: Dazu zählen Hörgeräte und/oder eine Hörtherapie sowie operative Maßnahmen, beispielsweise mit einem Cochlea-Implantat (CI). Zur Unterstützung dienen maßgeblich kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen. Ob diese auch per App wirksam sind, ist jedoch noch nicht wissenschaftlich belegt. Eine klare Empfehlung gibt es außerdem für die Teilnahme an den Tinnitus-Selbsthilfegruppen.

Was die HNO-Fachspezialisten an Technik nicht empfehlen

Erstmals wurden in der Leitlinie auch nicht geeignete Empfehlungen aufgelistet, denen es an Evidenz mangelt. „Dies ist eine wichtige Hilfestellung für die Patientinnen und Patienten, die im Internet mit einer Vielzahl von Maßnahmen konfrontiert werden, die nicht zielführend sind“, so Professorin Dr. med. Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums an der Charité Berlin und ebenfalls federführende Autorin der Leitlinie.

In den Leitlinien sind unter anderem diese nicht zielführenden Verfahren gelistet: die unterbrochene Notch-Musik, die als Smartphone-App oder in Verbindung mit Hörgeräten angeboten wird, sowie weitere App-gestützte Soundtherapien und andere akustische Neuromodulations-Verfahren, die sich als wenig evident erwiesen haben. Dazu zählen weiterhin die transkranielle Elektro- und Magnetstimulation sowie die invasive Vagusnervstimulation.

Da es auch keine Wirksamkeitsnachweise für Nahrungsergänzungsmittel und bestimmte andere Medikamente gegen Tinnitus im chronischen Stadium gibt, werden auch diese nicht empfohlen, zumal erhebliche Nebenwirkungen auftreten können (Einzelheiten siehe Leitlinie).

S3-Leitlinie Chronischer Tinnitus Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC), AWMF-Register-Nr. 017/064

Patientenleitlinie Chronischer Tinnitus

Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V., (DGHNO-KHC), AWMF-Register-Nr. 017/64 Klasse S3

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