Teleneurologie unterstützt Schlaganfallversorgung auch in ländlichen Regionen
Bei der Diagnose und Therapie eines Schlaganfalls entscheiden oft wenige Minuten darüber, wie groß der durch die Unterversorgung verursachte Schaden im Hirn ist. Um die Patientenversorgung, insbesondere in ländlichen Kliniken, in denen häufig kein Neurologe 24-Stunden an sieben Tagen in der Woche im Einsatz ist, zu verbessern, sind in Deutschland mittlerweile mehr als 200 Kliniken telemedizinisch mit anderen Kliniken vernetzt.
„Die telemedizinische Schlaganfallbehandlung in Deutschland ist mit über 35.000 Telekonsilen pro Jahr von großer Bedeutung – nahezu jeder zehnte Schlaganfallpatient wird telemedizinisch mitbehandelt,“ so Privatdozent Dr. Christoph Gumbinger, Sprecher der Kommission telemedizinische Schlaganfallversorgung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Die Teleneurologie sei damit in Deutschland in einer Vorreiterrolle.
Bei einer telemedizinischen Behandlung – einem sogenannten Telekonsil – berät ein Experte aus einer überregionalen Stroke Unit den behandelnden Arzt vor Ort bei der Entscheidungsfindung über die Akuttherapie. „Der Experte untersucht dabei den Patienten mit Hilfe einer fernsteuerbaren hochauflösenden Kamera“, erklärt Dr. Gumbinger. „Gemeinsam finden der behandelnde Arzt vor Ort und der Experte in der Stroke Unit so die beste Therapie für den Patienten – und können diese umgehend beginnen.“ So könne beispielsweise die akute Behandlung eines Schlaganfalls durch eine Thrombolyse – bei der ein Blutgerinnsel im Gehirn mit Hilfe von Medikamenten aufgelöst wird – umgehend und ohne einen möglichen Zeitverlust durch Transportwege durchgeführt werden. Das hat einen großen Vorteil für die Behandlung von Schlaganfallpatienten: Je schneller mit der Therapie begonnen werden kann, desto geringer sind im Regelfall die zurückbleibenden Behinderungen. „Durch die Teleneurologie steht das für die Therapieentscheidung notwendige Expertenwissen in den angeschlossenen Kliniken jederzeit zur Verfügung,“ erläutert Dr. Gumbinger, Leiter der Stroke Unit an der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Die telemedizinische Vernetzung sei jedoch kein Ersatz für den Neurologen vor Ort, der die weitere Therapie des Schlaganfallpatienten verantwortet. Sie sei vielmehr als Ergänzung zu der ärztlichen Betreuung vor Ort zu sehen.
Die erste Welle der Corona-Pandemie im Frühjahr, während der akutstationäre Behandlungen zurückgingen, hat die Neurologie ebenso wie viele andere medizinische Disziplinen stark getroffen. Dennoch konnten die Telemedizinnetzwerke während dieser Zeit die volle Einsatzbereitschaft aufrecht erhalten. „Zeitweise kam es zu 30 Prozent weniger telemedizinischen Behandlungen, obwohl die Ressourcen für die Versorgung von Schlaganfällen in den Kliniken zur Verfügung standen“, sagt Dr. Gumbinger. Das lag nach Einschätzung des DSG-Experten vor allem an der Angst davor, einen Arzt oder eine Klinik aufzusuchen, was aus seiner Sicht jedoch unbegründet sei. „Keinesfalls sollte aus Angst vor Corona eine notwendige Krankenhausbehandlung hinausgezögert werden. Der Zeitverlust durch eine zu späte Vorstellung im Krankenhaus kann bei einem medizinischen Notfall – wie einem Schlaganfall – auch durch eine telemedizinische Behandlung nur noch teilweise wettgemacht werden.“
Obwohl die Telemedizin in der Neurologie einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungsqualität von Schlaganfallpatienten leistet, ist ihre Finanzierung nicht einheitlich. „Es besteht deutschlandweit ein Flickenteppich, was die Finanzierung dieser wichtigen Behandlungsform angeht. Das führt teilweise zu einer kritischen Unterversorgung der Netzwerke“, betont der DSG-Experte. „Im Sinne der Patienten streben wir hier eine nachhaltige Finanzierung an. Hier ist nicht zuletzt auch die Politik gefragt.“
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften